Ist das gerade zu Ende gehende Jahr 2015 das Jahr, in dem sich der Hipster endlich selbst überholt hat? Kaum ein Fashion Trend hat sich so lange gehalten wie der des pseudo-individualistischen Hipsters mit seinem Standardoutfit aus engen Jeans, Karohemden und „ironischer“ Hornbrille. Doch 2016 müssen die urbanen Trendsetter ihren mühsam gezüchteten Hipsterbart möglicherweise schon wieder abrasieren: Der Yuccie steht vor der Tür.
Die Karawane zieht weiter: ethisch und kreativ ist angesagt
Den Begriff Yuccie prägte im vergangenen Sommer der amerikanische Hipster David Infante mit einem Beitrag auf dem Lifestyle-Portal Mashable. Mit dem Ausdruck Yuccie (der so herrlich nach „yucky“ klingt, was auf Deutsch so viel wie „igitt“ bedeutet) sind die Young Urban Creatives gemeint, die legitimen Nachfolger des Hipsters.
War der Hipster vor allem auf das Streicheln des eigenen Egos aus, in dem er einen möglichst individualistischen Geschmack an den Tag legte und über alles, das nach Mainstream roch, die Nase rümpfte, hat sich der Yuccie nicht weniger als die Rettung der Welt auf die Fahnen geschrieben. Und statt mit dem „sponsored by Daddy“ Macbook Pro im Szene-Café abzuhängen und kreative Luftschlösser in Form von vagen Projekten zu bauen, will der Yuccie durchaus reich werden. Bei der derzeit angesagten Vegan-Manie sind die Yuccies zum Beispiel ganz vorne dabei. Der eigene Laden mit veganen Snacks ist ethisch korrekt, gibt der eigenen Kreativität Raum und spült dazu noch Geld in die Kassen. Berlin, liebstes Biotop der Hipster, ist daher auch bei der Yuccie-Welle führend. Wo sonst könnte man wohl ein vegane Friseure und Tattoo-Studios finden?
Neben der Vegan-Welle liebt der Yuccie auch Superfoods. Ob Chia-Samen, Mandelmilch oder Spirulina-Algen: Auch hier drückt sich die Kombination aus gesunder Ernährung und Umweltbewusstsein („nur ja keine Massenware!“) bevorzugt über den Geldbeutel aus.
Der Yuccie und die Mode
Der fusselige Hipsterbart darf also endlich wieder rasiert werden und statt der viel zu engen Jeans darf es auch wieder eine bequeme Jogginghose sein. Sofern das Preisschild stimmt. Denn im Yuccie steckt auch eine gehörige Portion Yuppie. Keiner beweist dies besser als das kanadische Label Lululemon, das sich auf unglaublich teure Yoga-Mode spezialisiert hat. Die einfachen Yoga-Pants aus dem Sportladen sind dem Yuccie nun mal nicht gut genug – er zahlt auch mal gerne 80 Euro für das richtige Logo. Widerstand regte sich erst in dieser Woche: Als Laufhosen für sagenhafte 298 US-Dollar vorgestellt wurden. Das war dann selbst der gesundheitsbewussten Yuccie-Dame zu viel.
Günstiger geben sich junge amerikanische Labels wie Ezekiel, das in der kalifornischen Surfer- und Skaterszene seinen Ursprung hat. Hier sind vor allem schlichte Sweatshirts und Hoodies in hoher Qualität Programm, denn der Yuccie möchte nicht mit gequältem Individualismus auffallen, sondern mit ethisch korrekter Kleidung, die jahrelang hält. Die sogenannte Wegwerfmode wie sie von großen Billigketten produziert wird, ist ihnen ein Dorn im Auge. Dass dabei auf Bio-Baumwolle geachtet wird, ist selbstverständlich.
Wer steckt hinter dem Craft Beer? Der Yuccie!
Der neuen Yuccie-Bewegung sind auch gastronomische Trends wie Craft Beer zu verdanken. Der Hipster mit seiner Bionade und Afri-Cola ist längst Schnee von gestern. Ein Young Urban Creative, der etwas auf sich hält, legt ohne mit der Wimper zu zucken fünf Euro für ein Craft Beer à la Ratsherrn-Braumeister Edition Bordeaux Springbock hin oder fängt gleich an, selbst Bier zu brauen. Nun muss er nur noch am passenden Vokabular arbeiten, das sich an den Worthülsen der sogenannten Weinkenner orientiert. Auch dahinter steckt der brennende Wunsch, doch bitte als kreativ, klug und eben anders als der Durchschnitt wahrgenommen zu werden.
Und wie teilt sich der Yuccie der Welt mit? Facebook und Twitter sind längst Schnee von vorgestern. Sprachrohr der Yuccie-Wahl ist heute Instagram, wo sich das stilvoll arrangierte Yuccie-Leben mit veganem Luxusdinner, Craft Beer in Brooklyn oder Yoga am Palmenstrand so richtig schön inszenieren lässt. 2016 werden wir vermutlich noch einiges vom Yuccie hören – oder zumindest bei Instagram sehen.
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