Irgendwie klingt das alles sonderbar oder besser gesagt erschreckend vertraut – als wäre der Immobilien- und Bankencrash von 2008 gerade erst gewesen. Denn der nächste Skandal erschüttert die Finanzwelt. Wirecard, ein börsendotiertes Unternehmen aus dem beschaulichen Aschheim beim München, das mit Innovationen im Bereich Online-Zahlungsverkehr und Risikomanagement unglaublich viel Geld verdient hat, stellte Ende Juni 2020 beim Amtsgericht München einen Insolvenzantrag. Was war geschehen? Wie kann ein Unternehmen, dass 2018 über zwei Milliarden Umsatz gemacht hat, von heute auf morgen insolvent sein?
Die Wirecard AG ließ in einer Unternehmensmitteilung Mitte Juni verkünden, dass man nicht genau wisse, ob das Unternehmensguthaben auf den Treuhandkonten tatsächlich vorhanden ist. Erste Prüfungen ließen gewisse Zweifel daran aufkommen. Im Klartext heißt das: Die als Eigenkapital, als Deckungssumme des Unternehmens ausgewiesenen 1,9 Milliarden Euro existieren nicht – die betreffenden Konten sind offensichtlich eine Erfindung, eine Täuschung der Manager. Auf dieser Blase beruhen die gesamten geschäftlichen Aktivitäten von Wirecard. Ähnlich wie beim Bankenskandal 2008 jonglierten die Manager mit Geld, das sie gar nicht besaßen.
Unzählige Anleger und auch die eigenen Mitarbeiter sind einem riesigen Betrug aufgesessen. Gerade für Aktionäre und Anleger empfiehlt es sich dringend, eine auf die Wirecard-Affäre spezialisierte Fachkanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht zu konsultieren, um die eigenen Möglichkeiten auszutarieren, und die Verluste tunlichst gering zu halten. Viele Menschen sind auf die verlockenden Angebote von Wirecard reingefallen. Was auch nicht verwunderlich ist, denn aus der Ferne sah das Geschäftsmodell durchaus attraktiv aus. Innovative Idee versprachen hohe Renditen.
Wer oder was ist Wirecard?
Wirecard hat seit seiner Gründung im Jahre 2004 kontinuierlich Gewinne erwirtschaftet. Es wurden Tochterfirmen im Ausland gegründet und der Mitarbeiterstamm wuchs von anfangs 18 auf über 5.000 an. In seinem Segment ist Wirecard ein global Player. Kooperationen mit über 280.000 Unternehmen weltweit haben das Unternehmen zu einem der führenden Anbieter von Produkten und Dienstleistungen im Bereich mobiles Bezahlen, E-Commerce, Finanzinnovationen und Mehrwertdienste für Telekommunikation gemacht.
Wirecard hat eine eigene App entwickelt, mit der mobile Zahlungen getätigt werden können. Diese App – boon – ist sozusagen eine virtuelle Prepaid-Master Card, mit der kontaktlos mithilfe von NFC-Technik bezahlt werden kann. Im E-Commerce ist Wirecard vor allem im Bereich Reise tätig. Im Stile eines Maklers erhält das Unternehmen Provisionen für abgeschlossene Deals zwischen Anbietern und Verbrauchern. Darüber hinaus ist Wirecard insbesondere im Online-Einzelhandel sehr aktiv. Das Unternehmen bietet Shops Lösungen für Online-Zahlungsarten an, entwickelt virtuelle Marktplätze und investiert im Bereich Telekommunikation.
Es gab Vorzeichen
Die genannten Tätigkeitsfelder sind nur ein Ausschnitt aus der einst wunderbaren Welt von Wirecard. Das Unternehmen hat fast überall seine Finger im Spiel. So wurden im Laufe von eineinhalb Jahrzehnten gewaltige Umsätze und Gewinne erzielt. Doch wo ist das ganze Geld hin, wenn es nicht einmal für Rücklagen gereicht hat? Vor allem wundert es doch sehr, dass Wirecard so lange auf diese Weise Kunden und Geschäftspartner hinters Licht führen konnte.
Denn gewisse Verdachtsmoment gab es bereits seit längerem. Schon 2008 wurden anonyme Vorwürfe laut, dass mit der Aktie von Wirecard nicht alles ganz koscher sei. Sie warf außergewöhnlich hohe Gewinne ab und es war nicht wirklich ersichtlich, woraus diese resultierten. Ein undurchsichtiges Reporting erhärtete den Verdacht, dass die Erlöse – aus den trotz guter Prognosen und Gewinne kontinuierlich erhöhten Kapitaleinlagen – auf ominöse Weise verschwanden.
Wirtschaftsprüfer beschäftigten sich daraufhin in den nächsten Jahren mit Wirecard und seinen Geschäftspraktiken. Finanzanalysten beschuldigten das Unternehmen, illegale Geschäfte getätigt zu haben bzw. strafbare Methoden anzuwenden. Schließlich schaltete sich 2010 die BaFin ein, die Bundesanstalt für Finanzleistungsaufsicht, weil es Ungereimtheiten bei den Bilanzen gab. Anfang 2019 wurde die DPR, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung von der BaFin beauftragt, die Bilanzen von 2018 zu überprüfen. Das alles hatte natürlich negative Auswirkungen auf die Wirecard-Aktie, die in der Folge stetig sank.
Die Folgen für Anleger und Gläubiger
Wirecard versuchte sich verzweifelt gegen die staatlichen Eingriffe und vor allem gegen die Berichterstattung in den Medien zur Wehr zu setzen, denn die Aktie befand sich phasenweise im Sinkflug. Speziell die Financial Times erhob wiederholt den Vorwurf der Manipulation. Konkret hieß es, Wirecard hätte die Umsätze und Gewinne von Tochterfirmen zu hoch angegeben. Die Aktie sank um nahezu 30 Prozent, Anleger sprangen ab und die Aktionäre gerieten in Panik. Das ganze gipfelte in einer Strafanzeige wegen vermeintlichen Manipulationen gegen Markus Braun, den Vorstandsvorsitzenden von Wirecard, im Juni 2020.
Mitte Juni erfolgte dann die betreffende Erklärung, dass dem Unternehmen 1,9 Milliarden Euro fehlten. Momentan hält sich die Wirecard-Aktie durch Deckungskäufe von Shortsellern künstlich auf einen relativ guten Niveau, doch das Ende ist absehbar. Das Unternehmen aus Aschheim hat Milliardenschulden bei Banken und Gläubigern. Und auf kurz oder lang wird es daran zerbrechen. Die Geier warten schon, was bedeutet, dass sich wahrscheinlich ein Käufer für das insolvente Unternehmen findet. Angeblich stehen die Interessenten für die Konkursmasse von Wirecard bereits Schlange.
Für die Aktionäre sind das keine gute Nachrichten, denn unter Umständen gehen sie leer aus. Daher sollte sich jeder, der Aktien, Anleihen oder irgendein ein anderes Finanzprodukt bei der Wirecard AG besitzt, schleunigst um juristische Hilfe kümmern. Was passiert mit den eingesetzten Werten und besteht die Chance einer Rückerstattung? Es gibt Spezialisten für Bank- und Kapitalmarktrecht wie die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Gäbhard, die sich genau mit solchen Fragen beschäftigen und aktuelle News zu den neuesten Entwicklungen veröffentlichen.
Wirecard – das sinkende Schiff
Für die Mitarbeiter von Wirecard bedeutet der Skandal eine Gefahr für ihre (berufliche) Existenz. Insolvenzen und gegebenenfalls Übernahmen bringen in aller Regel Kürzungen und Entlassungen mit sich. Abgesehen von den materiellen Bedrohungen aber haben viele Beschäftigte schlicht das Vertrauen in das Unternehmen verloren. Darin unterscheiden sie sich kaum von den vielen enttäuschten und wütenden Anlegern und Geschäftspartnern von Wirecard.
Alles wofür die Mitarbeiter jahrelang standen. Worauf sie stolz waren und vertrauten, ist wie eine Blase zerplatzt. Plötzlich ist man nicht mehr Teil einer außerordentlichen Erfolgsgeschichte, sondern einer staatlichen Ermittlung wegen Betrugs und Manipulation. Sicherlich alles andere als eine leichte Situation für die Beteiligten, und es stellt sich die Frage, ob man als Betroffener, als Mitgeschädigter sich mit in den Abgrund reißen lässt respektive wie man aus der Sache heil herauskommt.
Der Vorläufer von Wirecard, die InfoGenie AG war Anfang der 2000er-Jahre am Neuen Markt zerschellt. Wirecard wird das aktuelle Desaster ebenfalls nicht überleben; zumindest wäre es angesichts des rücksichtslosen Verhaltens der Verantwortlichen nicht wünschenswert. Und die Akteure müssen zur Rechenschaft gezogen werden, damit sie die Managerkaste als Ganzes nicht völlig diskreditieren.